Wie alles bei empatis-Jugendhilfe anfing
Wie schon in unserem Beitrag „empatis-Jugendhilfe feiert den 6. Geburtstag“ erwähnt, wollen wir durch die bewegte Unternehmensgeschichte streifen und dabei ein paar markante Punkte, Ereignisse und Momente erinnern.
Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. (Franz Kafka)
Die empatis® Jugendhilfe GmbH wurde am 28.10.2015 gegründet, was synchron mit einem Ereignis verwoben ist, was das Unternehmen grundlegend verändert hat. Um dazuzukommen, ist aber ein weiterer Blick in die Vergangenheit notwendig. Die empatis®Geschichte begann schon viel eher. Im Jahr 2005 wurde das Unternehmen empatis® gegründet. Die damalige Motivation bestand darin, individuelle, flexible und ausschließlich ambulante Hilfen anzubieten. Es war der hohe Anspruch von Andreas Schönwald, für alle Familiensysteme ein passendes Hilfesetting zu entwickeln, um die Eltern und die Kinder professionell, systemisch und empathisch zu begleiten und so zu unterstützen, dass sie keine weitere Hilfe mehr benötigen…gemäß dem sozialpädagogischen Prinzip: Hilfe zur Selbsthilfe.
Die Überzeugung, dass der beste Ort zum Großwerden für Kinder das elterliche Zuhause ist, war schon damals vorhanden. Diese Haltung brachte das Credo Familien erhalten auf den Punkt, welches noch heute als Anspruch und Selbstverständnis für den ambulanten Bereich von empatis® Jugendhilfe steht.
Projekte systemBLICK und (z)weitBLICK
Das ambulante Team der Standorte systemBLICK und (z)weitBLICK verkörpern auch heute die Begriffe Empathie, Flexibilität, Individualität, Professionalität und systemisches Arbeiten und ist damit das Herzstück unseres Unternehmens.
Eine extrem hohe fachliche Kompetenz, in Kombination mit hoher Flexibilität und Individualität, in der Fallbetreuung und das Streben nach fortlaufender Weiterbildung zeichnet das Team aus. Das Feld der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe war und ist das Herzstück von empatis®. Die Haltung, die Werte und die Prinzipien von empatis® haben sich im ambulanten Bereich entwickelt und stehen heute universell für das gesamte Unternehmen.
2015 – Das Jahr der fundamentalen Änderungen für empatis®
Ende Oktober 2015 erhielt Andreas Schönwald, nachdem das ganze ambulante Team die Arbeit im Kinder- und Jugendnotdienst unterstützt hat, an einem Freitag die Anfrage, ob empatis® ab dem darauffolgenden Montag die 24h Betreuung einer Gruppe von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen (uaM`s) übernehmen kann. Flexibilität, ein Gefühl der gesellschaftlichen Verantwortung kombiniert mit Vertrauen in das bestehende Team, die potenziell neuen empatis® Mitarbeiter*innen sowie die Kooperationspartner, wie das Jugendamt Dresden und die Jugendherberge Rudi Arndt waren die Grundlage für den Entschluss, sich der Aufgabe zu stellen.
Freitag und Samstag wurden Bewerbungsgespräche geführt und am Sonntag das Team aufgebaut, indem viele neue Mitarbeiter*innen eingestellt wurden. Gleichzeitig wurde mit dem Team der JHB Rudi Arndt, unter der tollen und kompetenten Leitung von Kerstin Tiedemann das Haus für die kommende Zeit vorbereitet.
Und dann ging es einfach los und empatis® war in der Welt der stationären Hilfe, nach 10 Jahren reiner ambulanter Arbeit, angekommen. Anfangs mit großen Sprachproblemen, bei welchen wir feststellen mussten, dass die so hochgelobte Weltsprache „Englisch“ uns nur sehr begrenzt weiterhalf. Wir entwickelten, zusammen mit den Jugendlichen, welche in der ION lebten, Übersetzungsketten, welche angereichert mit Bildern, Händen und Füßen wurden. Es war eine unglaublich lebhafte, intensive, bereichernde und sinnstiftende Zeit. Aus den anfänglichen 6 Pädagog*innen im Oktober 2015 waren bis zum Ende des Jahres 60 (sechzig) Mitarbeiter*innen geworden. Meine Lieblingsbetriebswirtin meinte dazu mal sehr süffisant: „Organisches Wachstum sieht anders aus!“, womit sie vollkommen recht hatte. „Im Leben ist manchmal auch ein exponentielles Wachstum notwendig, um große Herausforderungen zu meistern.“ … wäre die passende Antwort gewesen, denn rückblickend war es so richtig und gut.
Die Weihnachten 2015 und 2016 waren erfüllt von Gemeinsamkeit, Miteinander und Menschlichkeit. So gelang es uns ein Modell zu entwickeln, dass am Heiligabend 2016 eine irakische Mutter und ihre drei Kinder wieder zusammenleben konnten. Die Kinder mussten allein in den Kinder- und Jugendnotdienst für viele Tage, da die Mutter sich nicht mehr um die Kinder kümmern konnte. Die Gewalt- und Verlusterfahrungen, welche sie auf der Flucht erleben musste, u.a. wurde ihr Mann vor ihren Augen erschossen, verursachte massivste Traumata und Probleme. Wir sicherten das Wohl der Kinder ab und alle schafften es zusammen, dass die Familie Anfang 2016 gemeinsam in eine passende Einrichtung umziehen konnte.
Durch unsere empathische, konstruktive und erfolgreiche Arbeit bekamen wir noch weitere Anfragen. empatis® betrieb zwischenzeitlich drei Inobhutnahme Einrichtungen. Neben der ION „Rudi Arndt“ gab es noch die ION „Steinhaus Moritzburg“ und die ION „Kangaroostopp“.
Die ION „Steinhaus Moritzburg“ war ein Komplex im Karl-May-Dorf Moritzburg. Dieses wurde komplett von uns betrieben und war eine spannende aber leider auch sehr herausfordernde Zeit, da die Gebäude nicht auf dem aktuellsten Stand waren. So streikten einige Jugendlichen in dem Projekt, da sie mit den dortigen Bedingungen nicht einverstanden waren. Wir mussten lernen, dass es auch einige uaM`s gab, welche unfassbar überheblich und arrogant waren und mit einer Selbstverständlichkeit erwarteten, dass sie einem Hotel gleich zu betreuen sein. Bedingungen, welche in der Jugendhilfe vollkommen normal sind, wie beispielsweise Haus- und Gemeinschaftsregeln, Ausstattung der Einrichtung oder zweckgebundene Gelder, wurden als inakzeptabel abgetan. Aber auch diese Schwierigkeiten haben wir erfolgreich gemeistert, sind daran gewachsen und haben viel bezüglich Improvisationsfähigkeit und Konfliktmanagement gelernt.
Die ION „kangaroo-stop“ war untergebracht in dem Hostel kangaroo-stop, dass sich auf junge Menschen oder neudeutsch Backpacker spezialisiert hatte. Diese ION hatte folgende Besonderheit, dass es dort ein gemeinsames Kochen mit einem ausgebildeten Koch gab. Wir hatten gelernt, dass das Thema Essen eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Thema für die Jugendlichen war. Deswegen bezogen wir sie mit in den Einkaufs- und Kochprozess ein, um ihnen Beschäftigung, Beteiligung, Sinnhaftigkeit im Alltag zu geben und in Summe sie Erleben zu lassen, wie wichtig Selbstwirksamkeit für ein erfülltes Sein ist.
Es gab leider auch einen sehr tragischen Vorfall in dieser Zeit. Ein Bewohner der ION hatte sich bei einem Bekannten aus dem Fenster in den Tod gestürzt. Dieser Vorfall erschütterte die ION „Rudi Arndt“ in den Grundfesten. In diesem unfassbaren Ereignis zeigten sich die massivsten Belastungen, Verletzungen, Trennungen, Entbehrungen, Missbrauchserfahrungen und Traumata, die diese jungen Menschen erleben und erleiden mussten. Für die aktuellen und ehemaligen Bewohner*innen, sowie deren Bekannte und Freunde, organisierten wir eine umfassende und intensive Trauerarbeit, welche durch empatis® Mitarbeiter*innen und Kooperationspartner*innen geleistet wurde.
Ansonsten war diese Zeit von vielen tollen Momenten, wie etwa den Sommerfesten, den gemeinsamen Bau- und Ausbauaktivitäten, Ausflügen und Unternehmungen, ungewollten Feuerwehreinsätzen, nach großen Kochaktivitäten, sowie gemeinsamen Feiern im Garten mit der Nachbarschaft.
Diese besondere, bewegte und kostbare Zeit endete am 30.06.2017 mit der Schließung der IONs. Mit viel Stolz, Freude, aber auch Wehmut und einem weinenden wie einem lachenden Auge schauen wir noch heute auf diese Unternehmensphase zurück. Die großen gesellschaftlichen Veränderungen des Jahres 2015 haben sich auch bei empatis® niedergeschlagen. Wir sind dankbar für das Vertrauen, die intensive Zusammenarbeit und die Chance des Wachsens.
Der Dank geht besonders an:
- das Team der JHB Rudi Arndt unter der Leitung von Kerstin Tiedemann
- das Team des Hostels kangeroo-stop unter der Leitung von Liane Mautner
- die vielen zuständigen und involvierten Mitarbeiter*innen der Allgemeinen Sozialen Dienste
- das Koordinationsteam des Jugendamtes unter der Leitung von Frau Kuhn
- die Mitarbeiter*innen des Kinder- und Jugendnotdienstes unter der Leitung von Frau Ackermann
- die Geschäftsstelle des Jugendamts Dresden, unter der Leitung von Frau Seeger
- den damaligen Leiter des Jugendamts Dresden Herrn Lippmann
Der Rückblick ist „etwas“ ausführlicher geworden, aber das alles brauchte mal den angemessenen Rahmen, erzählt zu werden. Und dabei gab es noch sooo viele weitere Momente und Geschichten in dieser Zeit, welche hätten erwähnt werden sollen, so wie unseren tollen Mitarbeiter*innen aus Afghanistan, Eritrea, Irak oder Syrien, welche uns mit ihren Persönlichkeiten, ihren Erfahrungen, ihren beruflichen Hintergründen und ihren Sprach- und Kulturkompetenzen so unfassbar geholfen und bereichert haben. Oder die vielen ehrenamtlichen Helfer*innen und sozialräumlichen Netzwerke, welche für die jungen Menschen da waren und sie in ihren Wegen unterstützt und begleitet haben. Aber vielleicht ergibt sich ja später noch mal Zeit und Raum, auf das eine oder andere näher einzugehen.
In diesem Sinne…seien Sie auf die nächsten Erinnerungen gespannt, denn wir sind es auch.